Berühmte Hallenser
Rive, Dr. Richard Robert
Ehrenbürger Richard Robert Rive war Oberbürgermeister von 1906 bis 1933
Richard Rive wurde am 26. Dezember 1864 in Neapel als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach dem Jurastudium und der Promotion ließ er sich als Rechtsanwalt und Notar in der schlesischen Hauptstadt Breslau nieder. Nach ein paar Jahren wechselte er in den kommunalen Dienst und übernahm am 30. November 1899 beim Magistrat der Stadt Breslau die Stelle eines besoldeten Stadtrats. So bewarb er sich 1905 um die durch die Pensionierung von Gustav Staude in Halle freiwerdende Oberbürgermeisterstelle, die er schließlich erhielt. Dr. Rive trat am 1. April 1906 sein neues Amt an, das er trotz aller Stürme der Zeit erst 1933 abgeben sollte. Die Saale-Zeitung kommentierte: „Es ist ein großes, schweres Amt, das der Neugewählte übernimmt, es ist ein Amt, das die ganze Kraft eines Mannes erfordert. Die Bedeutung der Stadt ist in jeder Beziehung nicht nur zu erhalten, sondern zu heben und zu fördern“ (Saale-Zeitung Nr. 155 vom 2. April 1906).
In seiner Antrittsrede äußert sich der neue Oberbürgermeister über sein Programm: „Zahlreich und gewaltig sind die Aufgaben, welche die Gegenwart den Städten stellt. Die Industrie, der Handel, der Verkehr, Kunst und Wissenschaft, die ganze Entwicklung des modernen Geistes und Wirtschaftslebens drängt die Menschen in Massen nach den Städten, wie noch vor einem halben Jahrhundert auch der hellstsehende Kenner von Staat und Gesellschaft nicht vorausgeahnt hätte. Jetzt heißt es großstädtisch handeln, großstädtische Finanz-, Verkehrs- und Sozialpolitik mit ihren tausendfältigen Sorgen und Bedenken pflegen“ (Ebd.).
Oberbürgermeister Rive hat in vielen Bereichen, oft gegen den härtesten Widerstand von Interessengruppen der Versammlung der Stadtverordneten, neue moderne Bauten für die kommunale Wirtschaft ausführen lassen, modernisierte die einzelnen Zweige der Stadtverwaltung (z.B. Stadtgesundheitsamt), setzte den Ankauf der beiden Straßenbahngesellschaften durch, erwarb für die Stadt die Burg Giebichenstein, den Amtsgarten, die Klausberge, die Brandberge, Reichards Garten und die Dölauer Heide. In Rives Amtszeit wurde der Zoo ausgebaut, der Flughafen Halle-Leipzig eröffnet, das Stadtarchiv, das Kunstmuseum, die Kunsthandwerkerschule Burg Giebichenstein sowie das Stadttheater wesentlich gefördert.
Von dem Beschluss des Magistrats und der Versammlung der Stadtverordneten wurde Rive durch ein Schreiben vom 25. März 1933 unterrichtet (StAH, Ehrenbürgerrecht Bd. 3 Bl. 25). Am Schluss kündigten die Unterzeichnenden, Bürgermeister Bernard Velthuysen, Ratskämmerer Paul May und Stadtrat Hans von Ludwiger, an, dass die förmliche Urkunde demnächst überreicht werden soll. Diese begründete die Auszeichnung so: „Diese Verleihung ist ein Ausdruck des Dankes, den die Stadt Halle dem Manne schuldet, der als ihr Oberhaupt in siebenundzwanzig Jahren unermüdlich für sie tätig gewesen ist. Er hat das Vermögen der Stadt vermehrt, das Weichbild durch Erwerbung von Wald und Parkinseln vergrößert, die öffentliche Gesundheitspflege und das Wohnungswesen ausgestaltet, die Straßen verbreitert, Schulen jeder Art errichtet, die Kunst gefördert, die städtische Verwaltung neu geordnet und mit dem Geist des Selbstverwaltungsrechts erfüllt, den er zum Nutzen der Stadt im Provinzial-Landtage und -Ausschusse sowie im Staatsrat oft bestätigt hat. Dadurch hat er sich als Oberbürgermeister unvergessliche Verdienste um unsere Stadt und die dauernde Dankbarkeit der mit ihm tätigen und nach ihm lebenden Bürger von Halle erworben.“ (Ebd. Bl. 19).
Am 27. Juni 1932 stellten 31 Abgeordnete in der halleschen Stadtverordnetenversammlung einen Dringlichkeitsantrag, in dem der Magistrat ersucht wurde, dem Oberbürgermeister Dr. jur. Dr. med. h. c. Richard Robert Rive bei seinem Ausscheiden aus dem Amt am 31. März 1933 wegen seiner Verdienste um die Stadt Halle während einer Amtsdauer von 27 Jahren das Ehrenbürgerrecht der Stadt Halle zu verleihen.4 Das Gremium stimmte mehrheitlich dem Antrag zu, während der Magistrat einstimmig am 9. August 1932 einen entsprechenden Beschluss fasste (StAH, Ehrenbürgerrecht Bd. 3 Bl. 11).
Inzwischen hatten die neuen nationalsozialistischen Machthaber in Halle unter Zurücksetzung des demokratisch gewählten Kandidaten (Bürgermeister Velthuysen) einen ihrer Parteiangehörigen als Oberbürgermeister eingesetzt. Dieser Dr. Johannes Weidemann verfügte am 20. Juni 1933, dass „von einer Ausstellung des Ehrenbürgerbriefes zunächst Abstand genommen werden soll.“ (Ebd. Bl. 27). Bürgermeister Dr. May hat sich in seinem Nachwort zu den Lebenserinnerungen Rives zu diesem einmaligen Vorgang geäußert: „Eine schärfere Tonart schlugen die Parteispitzen im Gau und im Stadtkreis an. Sie drängten auf Rives Isolierung, war er ihnen doch in seiner Unerschrockenheit und seinen geschliffenen Reden unheimlich. So wurde Rive zu keiner städtischen Veranstaltung geladen, geschweige denn in irgendeinen Ausschuss berufen, die Ernennung zum Ehrenbürger in der Öffentlichkeit totgeschwiegen, die Ausfertigung und Aushändigung des Ehrenbürgerbriefes, die der alte Magistrat leider versäumt hatte, nicht vorgenommen.“ (Richard Robert Rive: Lebenserinnerungen eines Oberbürgermeisters. Stuttgart 1960, S. 415). Die Übergabe des Ehrenbürgerbriefes, der von den Werkstätten der Burg Giebichenstein angefertigt wurde, erfolgte erst am 12. August 1945.
Rive verstarb am 23. November 1947 in Halle und wurde in der Familiengrabstätte auf dem Lichtenberger Friedhof in Berlin bestattet.