17. Juni 1953
Im Juni 1953 herrschte in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands ein gespanntes Klima. Die SED-Regierung hatte die Normen für die zu erbringenden Arbeitsleistungen der Werktätigen erhöht und damit den Bogen überspannt.
Nach ersten Arbeitsniederlegungen am 15. Juni brach am 17. Juni 1953 der Volksaufstand in der DDR aus. Parteihäuser wurden besetzt, Haftanstalten wurden gestürmt und Gefangene befreit.
Der Volksaufstand wurde innerhalb weniger Stunden durch die sowjetische Besatzungsarmee niedergeschlagen und in Blut und Tränen erstickt. Mindestens 125 Menschen wurden in der damaligen DDR erschossen oder hingerichtet, darunter 41 Sowjetsoldaten, die sich weigerten, auf Deutsche zu schießen. Rund 25.000 Deutsche aus Ost und West wurden nach dem 17. Juni verhaftet und teils zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Der Aufstand des 17. Juni 1953, an dem an mehr als 700 Orten der DDR rund eine Million Menschen teilnahmen, war ein einschneidendes Ereignis: Den offenen Protest gegen die SED Diktatur, der mit Forderungen nach freien und geheimen Wahlen sowie nach der Wiedervereinigung Deutschlands verbunden war, schlugen sowjetische Panzer nieder. Während das SED-Regime den Aufstand in der Folge als vom Westen gesteuerten Putschversuch deutete, wurde in der Bundesrepublik mit einem gesetzlichen Feiertag der gewaltsamen Unterdrückung des Aufstands durch SED-Regime und Sowjetunion an einem jährlichen Tag der Deutschen Einheit gedacht.
Der 17. Juni 1953 in Halle (Saale)
Am Morgen des 17. Juni 1953 zogen in Halle, ausgehend vom Waggonbau Ammendorf, tausende Arbeiter zum Marktplatz. Ihre zentralen Forderungen lauteten Rücknahme von Normerhöhungen, Rücktritt der Ulbricht-Regierung und die Wiedervereinigung Deutschlands. Am Nachmittag versammelten sich 60.000 Menschen auf dem Hallmarkt.
Daraufhin verhängte der sowjetische Stadtkommandant das Kriegsrecht, Panzer fuhren auf, und im ehemaligen Bezirk Halle wurden in der Folge insgesamt 16 Menschen getötet, viele Menschen zu Haftstrafen und sogar zum Tode verurteilt.
Der 17. Juni 1953 war und ist ein gesamtdeutsches Ereignis, das bis zur Wiedervereinigung in Ost und West auf unterschiedliche Weise verdrängt und verfälscht wurde. War der „Tag der deutschen Einheit“ für viele Westdeutsche über die Jahrzehnte hinweg ein willkommener Anlass zum Familienausflug ins Grüne und für feierliche Reden, wurde uns in der damaligen DDR schon im Schulunterricht ein Schreckensbild vermittelt. Bonner und Westberliner Unbelehrbare und faschistische Banden hätten den Sturz der sozialistischen Demokratie mit Gewalt versucht; das Eingreifen der sowjetischen Freunde hätte den Weltfrieden gerettet...
Was wir heute erleben, ist die Neuentdeckung des 17. Juni 1953 als gesamtdeutsches Ereignis. Alle Forschungen weisen heute nach, dass an den „5 Tagen im Juni“ – so der Romantitel von Stefan Heym – über eine Million Menschen in mehr als 700 Orten der DDR auf die Straße gingen. Die Rücknahme der Normerhöhungen war nur eine der Forderungen der Arbeiter und Angestellten; freie Wahlen und eine schnelle Wiedervereinigung standen schnell im Mittelpunkt.
Die Niederschlagung des Volksaufstandes führte zu monatelangen Schauprozessen mit mehreren Todesurteilen. Tausende flüchteten in den Westen.
Freie Wahlen und staatliche Wiedervereinigung: Dies stand auch im Herbst 1989 auf der Tagesordnung der vielen Hunderttausend, die auf die Straße gingen. Der Anknüpfungspunkt der Bürgerrechtsbewegung war aber mehrheitlich der 21. August 1968, als Panzer des Warschauer Paktes die demokratische CSSR besetzten.
Aus heutiger Sicht wird deutlich, dass der Volksaufstand des 17. Juni, die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ im August 1968 und die friedliche Revolution vom Herbst 1989 zusammen gehören. Nimmt man den ungarischen Volksaufstand des Jahres 1956 und die polnische Soldarnosc-Bewegung seit dem Ende der siebziger Jahre hinzu, dann schärft sich das Bild einer historischen Entwicklung: Der Wunsch nach Demokratie und Menschenrechten war nicht aufzuhalten.
Mit den Jahren 1953 und 1989 gab es bei uns zwei große Freiheitsbewegungen, darauf sind wir stolz und – mit den Worten von Marianne Birthler: „Das muss uns erst einmal einer nachmachen.
Mit einer Ausstellung in der 1. Etage des Ratshofs, Marktplatz 1, gedenkt die Stadt Halle (Saale) gemeinsam mit der Gedenkstätte Roter Ochse dem Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953. Die Schau trägt den Titel „Menschen Recht Freiheit Protest“; Bürgermeister Egbert Geier eröffnet sie am Montag, 17. Juni 2024, um 16 Uhr. Außerdem legt die Stadt Halle (Saale) am Vormittag ein Gebinde an der Gedenkstätte für den Aufstand vom 17. Juni am Hallmarkt nieder. Einwohnerinnen und Einwohner sind eingeladen, ebenfalls Blumen und Kränze niederzulegen.
Die Ausstellung im Ratshof fokussiert auf das Protestgeschehen am 17. Juni 1953 in Sachsen-Anhalt. 25 Tafeln zeigen die Vor-, Nach und Wirkungsgeschichte des Aufstands anhand von Fotos, Tondokumenten und Zeitzeugenberichten. Erarbeitet wurde die Schau von der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erarbeitet, gefördert wurde sie von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt; Kooperationspartnerin ist die Gedenkstätte Moritzplatz.