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    Im Kontext des Jubiläums "60 Jahre Halle-Neustadt" im Jahr 2024 stellt das Amtsblatt Objekte aus den Beständen des Stadtmuseums Halle vor. Die Texte können an dieser Stelle nachgelesen werden.

    Objekte aus dem Stadtmuseum zu „60 Jahre Halle-Neustadt“

    Verschwunden, aber nicht vergessen

    Beim Aufbau Halle-Neustadts in den 1960er Jahren wurde besonderer Wert auf Kunst im öffentlichen Raum gelegt. Insgesamt entstanden zwischen 1965 und 1989 rund 150 Kunstwerke; neben Skulpturen und Wandbildern sollten auch Brunnen den jungen Stadtteil aufwerten. Eines der wohl schönsten Wasserspiele war der Brunnen „Früchte des Meeres“, der 2012 abgerissen wurde.

    Im Bestand des Stadtmuseums Halle befindet sich noch heute ein Modell der einstigen Brunnenanlage. Es stammt aus dem Nachlass des Malers, Grafikers und Keramikers Hans Rothe, der diesen Entwurf für einen Brunnen in der östlichen Neustadt geschaffen hat. Rothe wurde 1929 in Döllnitz bei Halle geboren. Er studierte Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und erhielt 1965 den Kunstpreis der Stadt Halle (Saale) sowie 1966 den Kunstpreis der Stadt Halle-Neustadt.

    Der Keramikbrunnen, aufgestellt 1983, stand in der gleichnamigen Straße „Am Meeresbrunnen“. Das Wasser der Anlage sprudelte aus bunt verzierten Muscheln, Fischen und kleinen Tieren wie Seepferdchen, Schlangen oder Kraken. Der Mittelteil erinnerte in seiner Form an einen Leuchtturm. Im Laufe der Zeit wurde der Brunnen immer häufiger Ziel von Vandalismus; einzelne Keramikelemente wurden abgeschlagen und zerstört oder gestohlen. Da die finanziellen Mittel für eine Sanierung fehlten, beschloss die Stadt, den Brunnen abzureißen. Hans Rothe äußerte sich im Jahr des Abrisses, 2012, in der Mitteldeutschen Zeitung folgendermaßen dazu: „Der Brunnen wurde von Banausen mutwillig zerstört.“ Rothe starb 2023.

    Auf schlammigen Wegen

    Gummistiefel gehörten in den Anfangsjahren von Halle-Neustadt zur Grundausstattung der Bevölkerung, denn die wachsende Stadt war eine langjährige Großbaustelle und konnte häufig nur auf schlammigen Wegen passiert werden. Dies nahmen (fast) alle Bewohnerinnen und Bewohner in Kauf, die Mitte der 1960er Jahre in die ersten Neubauten einzogen – zumal damals „von höherer Stelle“ Abhilfe geschaffen wurde: Als beispielsweise ein Jahr nach der Gründung Halle-Neustadts 1965 die 1. Polytechnische Oberschule ihren Betrieb aufnahm, bekamen die Lehrerinnen und Lehrer jeweils ein Paar Gummistiefel geschenkt, um trockenen Fußes von ihrer Wohnung zur Arbeit zu gelangen. Die Männer erhielten schwarze, die Frauen weiße Stiefel.

    Wie die Erwachsenen mussten auch die Jüngsten über unbefestigte Fußwege zum Kindergarten oder zur Schule laufen – natürlich auch mit Gummistiefeln, so wie die damals dreijährige Katrin. Ihre weißen Stiefel (Foto), die am oberen Rand und im Fußbereich umlaufend rot abgesetzt sind und zudem ihren Namen tragen, befinden sich noch heute im Bestand des Stadtmuseums Halle. 

    Die Gummistiefel waren ab 1965 Katrins regelmäßiger Begleiter auf ihrem Weg zum Kindergarten „Pittiplatsch“. Katrin und ihre Mutter Luise trugen beide auch Gummistiefel zu einem Vorstellungsgespräch der Mutter im Institut für Chemie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an einem verregneten Märztag 1965. Im Sekretariat auf dem Weinberg Campus erklärte Katrins Mutter dann die matschigen Stiefel damit, dass sie aus dem Neubaugebiet Halle-West kämen. Ihr späterer Vorgesetzter antwortete: „Ach, machen Sie sich nichts draus, ich komme auch vom Dorfe!“

    „Heißer Draht“ zu Erich Honecker

    Mit Liane Lang und Helga Gries führten zu DDR-Zeiten zwei Frauen die Amtsgeschäfte in Halle-Neustadt – Liane Lang ab April 1970 als Oberbürgermeisterin und zugleich Chefin von rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Stadtverwaltung Halle-Neustadt; Helga Gries als ihre Stellvertreterin. Dass die beiden Frauen durchaus ihren Charme zu nutzen wussten, erzählte Lang einst in einem Interview: „Mit meiner für Handel zuständigen Stadträtin Helga Gries bin ich oft in die Großhandelskombinate gefahren und habe um Kontingente gerungen. Zwei so schicken Damen wie uns konnte man nur schwer einen Wunsch abschlagen.“

    Dabei war Helga Gries nicht nur Stadträtin für Handel und Versorgung sowie stellvertretende Oberbürgermeisterin, sondern hatte auch – mittels Telefons – den „heißen Draht“ zum Vorzimmer des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Ihr besagtes „Rotes Telefon“ befindet sich noch heute im Bestand des Stadtmuseums. Das Modell „Variant“ in rot-grauer Plaste mit Wählscheibe stammt vom VEB Fernmeldewerk Nordhausen und wurde vom Ministerrat der DDR bereitgestellt. Das Besondere daran: Die „Sondersprechanlage“ besaß über ein separates Anschlussverzeichnis den Zugang zum Sonderfernsprechnetz der DDR. Dieser gesonderte Kontaktweg – der „heiße Draht“ – spiegelt sich über die Farbgestaltung hinaus im Eigennamen „Rotes Telefon“ wider. Dadurch, dass der Apparat unabhängig vom zivilen Telefonnetz war, bot er eine direkte Verbindung zu den Verantwortlichen in den Bezirken, Kreisen und kreisfreien Städten der DDR – und eben auch zum Vorzimmer des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Mit der Wende und der Fusion 1990 von Halle und Halle-Neustadt wurde der „heiße Draht“ schließlich gekappt – und die zwanzigjährige Amtszeit von Liane Lang und Helga Gries beendet.

    Von der Getreidemühle zum Tourismusmagnet

    Ein Kännchen Kaffee für knapp zwei oder ein Steak für rund vier DDR-Mark – die Preise waren einer der Gründe, warum die Eselsmühle zu den beliebtesten Ausflugsgaststätten der DDR zählte. Für Kinder war es vor allem der Esel, auf dem sie gegen einen kleinen Obolus ihre Runden um die Mühle drehen konnten. Bis zu 5 000 Gäste besuchten an Wochenenden das Restaurant mit seinen mehr als 100 Plätzen. In Spitzenzeiten waren zwölf Mitarbeitende im Einsatz.


    Eine Miniaturausgabe der Mühle befindet sich im Stadtmuseum. Das 22 Zentimeter große Holzmodell zeigt die 1886/87 erbaute Holländer-Turmwindmühle, die als Getreidemühle am Rand von Nietleben lag und Passendorf und Zscherben versorgte – bis 1939. Danach stand sie drei Jahrzehnte still; erst mit dem Bau der ehemaligen Chemiearbeiterstadt „Halle-West“ wurde auch die Mühle umfunktioniert und bis zum Sommer 1969 zu einer Gaststätte umgebaut – mit Bierstube (Erdgeschoss), Weinstube (Obergeschoss) sowie Bar mit Kettenschaukeln (unter dem Dach). Die Mühlsteine dienten im Innenraum zu dekorativen Zwecken; für den Außenbereich wurden sie zu Tischplatten verarbeitet.


    Während die Mühle ursprünglich noch nicht von der Bebauung Halle-Neustadts umgeben war, entstanden ab den 1970er Jahren rund um die Gaststätte immer mehr Wohnhäuser und Infrastruktur. Die angrenzende Straße, das Einkaufszentrum und Einrichtungen wie Apotheke, Gesundheitszentrum, Kegelbahn und Bushaltestellen tragen noch heute den Namen „Eselsmühle“. Die Mühle selbst ist neben der Mühle in Lettin eine von nur noch zwei erhaltenen Windmühlen im Stadtgebiet von Halle. Leider steht sie seit mehreren Jahren leer.

     

    Der „Weiße Riese“ jenseits der Altstadt

    Er gilt als der größte in der DDR errichtete Wohnblock: der ehemalige „Block 10“ an der Zerbster Straße in Halle-Neustadt, umgangssprachlich auch „Weißer Riese“ genannt. Das 1967 errichtete zehngeschossige Gebäude südlich der Magistrale im Zentrum der Neustadt misst eine Länge von 380 Metern und beherbergt über 800 Wohnungen. Insgesamt lebten bis zu 3 000 Menschen hier neben der Gaststätte „Gastronom“.

    Der „Weiße Riese“ steht sinnbildlich für das fortschrittliche Wohnkonzept der 1960er Jahre. Die Neubauten für die Arbeiterinnen und Arbeiter der Chemiewerke Schkopau und Leuna boten im Vergleich zu den engen, kaum sanierten Altbauten im historischen Stadtkern von Halle viele fast schon luxuriöse Annehmlichkeiten: Die Toiletten waren nicht mehr im Treppenhaus, das warme Wasser kam direkt aus der Wand, es gab eine Zentralheizung und viele Wohnungen hatten einen Balkon. Vom damaligen Komfort zeugt auch die Sprechanlage mit Türöffner von 1965 aus dem Bestand des Stadtmuseums Halle. Sie stammt aus einer Wohnung vom Wohnblock 10. Auf der Vorderseite befindet sich ein Lautsprecher mit Kipp-Regler zum Hören und Sprechen sowie der Tür-
    öffner-Druckknopf; rückwärtig verweist ein Etikett auf den Hersteller VEB Funkwerk Kölleda in Thüringen.

    Eine weitere Besonderheit in Halle-Neustadt war das Hausnummern-System; es gab keine Straßennamen, sondern jeder Wohnblock erhielt eine dreistellige Blocknummer. Dieses in der DDR einmalige Prinzip wurde mit der Zusammenlegung von Halle und Neustadt 1990 abgeschafft.