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  • Faire öffentliche Beschaffung

    Der Wandel zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektiert, kann nur gelingen, wenn wir unsere Konsumgewohnheiten und Produktionstechniken umstellen. Dazu sind international gültige Regeln für Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz wichtig.

    Im September 2015 wurde die „Agenda 2030“ von den Vereinten Nationen verabschiedet, auf deren Grundlage die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung novelliert wurde. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Agenda ist die nachhaltige Beschaffung, womit die soziale Vergabepraxis unmittelbar zu einem zukunftsweisenden Thema wird. Bund, Länder und Kommunen geben jährlich rund 360 Milliarden Euro für Güter und Dienstleistungen aus, das entspricht ca. 18% des Bruttoinlandsprodukts.

    Viele Hersteller lassen ihre Waren von Subunternehmen in Ländern produzieren, in denen Umwelt- und Sozialstandards niedrig sind oder nicht ausreichend kontrolliert werden. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen werden oft in Kauf genommen. Es ist die Aufgabe von Kommunen, verantwortungsvoll mit Steuergeldern und Ressourcen umzugehen. Durch sozialverantwortungsvollen Einkauf senden Kommunen ein Signal an Hersteller, ihre Lieferketten und Arbeitsbedingungen zu kontrollieren.

    Um die Stadt Halle (Saale) bei der öffentlichen Beschaffung zu beraten, wurde im November 2017 eine Projektstelle zur Koordination kommunaler Entwicklungspolitik eingerichtet. Gemeinsam mit dem Friedenskreis Halle e. V., mohio e.V., Electronics Watch e.V., dem Südwind Institut und FEMNET e.V. wurden Fachtage, Workshops, Bieterdialoge und Weiterbildungen zu nachhaltiger und sozialer Beschaffung durchgeführt. Bei öffentlichen Ausschreibungen der Stadt werden nun glaubwürdige Nachweise zur Kontrolle und Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen von Herstellern und Lieferanten gefordert.

    Eine nachhaltige öffentliche Beschaffung berücksichtigt neben ökonomischen auch ökologische und soziale Kriterien. Am 18. April 2014 trat die neue, für die öffentliche Vergabe zentrale Richtlinie der Europäischen Union 2014/24/EU in Kraft. Die Verankerung umweltbezogener und sozialer Kriterien in öffentlichen Ausschreibungen und Vergabeverfahren wird darin ausdrücklich gestärkt:
    Die Mitgliedsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass die Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einhalten, […] die in den [ILO-Kernarbeitsnormen] festgelegt sind.

    Die europäische Richtlinie wurde 2016 in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) des Bundes integriert:
    „Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte (…) berücksichtigt.“ (§97 Abs. 3 GWB).

    Auch das Landesvergabegesetz nimmt Bezug auf Nachweise zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen:
    Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen sollen keine Waren Gegenstand der Leistung sein, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind. (…) Hierzu sind von den Bietern entsprechende Nachweise oder Erklärungen zu verlangen. (§12 LVG LSA).

    Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen im Beschaffungsprozess der Stadtverwaltung Halle (Saale) wurde in den Ratsbeschlüssen V/2010/08803 und V/2009/08429 gegen ausbeuterische Kinderarbeit und Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen festgehalten:
    Der Auftragnehmer und seine Unterauftragnehmer sind verpflichtet, bei der Ausführung des Auftrages die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit gemäß der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 18. Juni 1998 einzuhalten.(…) Entsprechende Nachweise sind über geeignete Gütesiegel, Label oder Zertifikate zu erbringen. (Niederschrift vom 23.06.2010)

    Verstöße gegen die ILO-Kernarbeitsnormen sind in komplexen Produktions- und Lieferketten nach wie vor an der Tagesordnung. Sozialsiegel kennzeichnen Produkte, die sozialverträglich hergestellt wurden. Die Auswahl der akzeptierten Nachweise beruht auf der Empfehlung der Bundesregierung für die öffentliche Beschaffung. Mit Hilfe des Kompass-Nachhaltigkeit ist eine Vergleichbarkeit der Nachweise gegeben.

    Sensible Produkte sind solche, die ein besonderes Risiko aufweisen, unter Missachtung der ILO-Kernarbeitsnormen hergestellt worden zu sein. 
    Zu den sensiblen Produktgruppen zählen:

    • Informations- oder Kommunikationstechnik (z. B. Computer und Zubehör, Mobiltelefone, Drucker und Kopierer etc.)
    • Landwirtschaftliche Produkte (z. B. Kaffee, Tee, etc.)
    • Lederwaren (z. B. Schuhe, Bälle)
    • Naturstein
    • Textilwaren (z. B. Arbeits- und Dienstbekleidung, Schuhe, etc.)

    Soziale Kriterien sind soziale und arbeitsrechtliche Standards, die als grundlegende Rechte auf die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten abzielen. Hierzu gehören die Kriterien des Fairen Handels der World Fair Trade Organisation (WFTO) und die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Bislang haben über 138 ILO-Mitgliedsstaaten alle Kernübereinkommen ratifiziert. Zu ihnen gehört auch Deutschland. Erst durch die Ratifizierung der Kernarbeitsnormen werden sie rechtlich bindend. Nach der Ratifizierung wird ihre Umsetzung auf nationaler Ebene von der ILO regelmäßig überprüft.

    Zu den Kernarbeitsnormen gehören folgende Übereinkommen:

    • Übereinkommen 29: Zwangsarbeit (1930)
    • Übereinkommen 87: Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes (1948)
    • Übereinkommen 98: Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen (1949)
    • Übereinkommen 100: Gleichheit des Entgelts (1951)
    • Übereinkommen 105: Abschaffung der Zwangsarbeit (1930)
    • Übereinkommen 111: Diskriminierung (1958)
    • Übereinkommen 138: Mindestalter (1973)
    • Übereinkommen 182: Kinderarbeit (1999)

    Was in Deutschland schon als Standard vorausgesetzt wird, ist in anderen Ländern keineswegs normal. Stellen Sie sich vor, Sie müssten 70 Stunden in der Woche unter schlechten Arbeitsbedingungen in einer Fabrik arbeiten – ohne einen Arbeitsvertrag und immer auf Abruf. Stellen Sie sich vor, ihr Lohn würde nicht ausreichen, um Ihre Familie zu ernähren und Sie müssten Ihre Kinder deshalb zur Arbeit anstatt zur Schule schicken. Unvorstellbar? So oder so ähnlich sieht allerdings der Arbeitsalltag in vielen Produktionsbetrieben in Pakistan, Bangladesch oder Indien aus. Daher ist die Einhaltung angemessener sozial- und arbeitsrechtlicher Standards die Aufgabe von Regierungen und Behörden jeden Landes. Aus diesem Grund fordert auch die Stadt Halle (Saale) die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen von seinen Herstellern und Lieferanten.

    Adresse:
    Dienstleistungszentrum Integration und Demokratie
    Marktplatz 1
    06108 Halle (Saale)
    Telefon: +49 345 2214006